Ersetzt Technologie unser selbstbestimmtes Denken?

Ersetzt Technologie unser selbstbestimmes Lernen

Gerd Leonhard schreibt und referiert als Zukunfstberater u.a. über den Umgang mit Medien und Technik in der Zukunft. Mit ALPHA hat er fünf menschliche Fähigkeiten bestimmt, die wir aufgrund exzessiven Gebrauchs von Tablets und Smartphones verlieren könnten. Er fragt, wie wir bzw. unsere Kinder sich entwickeln, wenn die Gehirnleistung ausgelagert wird und fordert auf, sich über diese Entwicklung öffentlich auseinanderzusetzen.
Dann mache ich heute mal einen kleinen Anfang zu den fünf Thesen von Gerd:

 

  1. Fremdsprachen lernen
    Gerd Leonhard: „Mit dem neuen Skype Translate oder mit der App Say Hi können wir jetzt schon mit fremdsprachigen Menschen in unserer Muttersprache reden. Was wir sagen, wird in Echtzeit übersetzt und kommt beim Empfänger in dessen Sprache an.“

    KEEUNIT: Was die Vorschau von Skype Translate zeigt, ist dass die Technologie noch nicht ausgereift ist: undeutliche Aussprache, Dialekte, etc. werden falsch übersetzt. Zudem wird die Übersetzung von einem Roboter wiedergegeben, der Zwischentöne und Stimmungen nicht vermitteln kann. Auch in Zukunft keine wirkliche Alternative, um komplett auf eine Fremdsprache zu verzichten.

  2. Uns vor Ort orientieren
    Gerd Leonhard: „Viele Menschen haben sich an das GPS (Positionsbestimmung per Satellit) und an interaktive Internet-Maps auf ihrem Handy, ohne das sie verloren sind, gewöhnt. Kein Internet kein Spaziergang?“

    KEEUNIT: Der althergebrachten Landkarte wurde seinerzeit bestimmt auch unterstellt, sie würde uns Menschen die intuitive Orientierung nehmen. Dirk Burghardt, Professor für Kartografie an der TU Dresden, ist davon überzeugt, dass wenn man sich nur mit einem Navigationssystem durch eine Stadt bewegt, kein mentale Karte aufbaut. Daher tüfteln Forscher an der Universität Münster an einem Navi, das den Orientierungssinn fördert.

  3. Selbstbestimmtes Reisen als Entdecker
    Gerd Leonhard: „Früher fuhr man einfach einmal los und schaute dann, wohin es einen auf der Reise verschlug. Heute machen uns Youtube, Tripadvisor und Google Maps Vorschläge. Keine App, kein Spaziergang. Daten triumphieren über unsere Intuition.“

    KEEUNIT: Möglicherweise haben sich früher abenteuerlustige Reisende (und sicher tun es einige auch heute noch), ins Auto oder in den Zug gesetzt und geschaut, wohin die Reise geht. Aber in den meisten Fällen war es sicher auch früher schon so, dass man sich über Empfehlungen, Reiseberichten in Zeitungen und Magazinen, von Film-Reportagen, Romanen u.ä.  für den nächsten Urlaub hat inspirieren lassen. Daten, die über uns im Internet gesammelt werden, bleiben Empfehlungen. Die Entscheidung, ob wir diesen Urlaubsort anfahren, treffen wir unabhängig davon, über welches Medium wir die Inspiration erhalten haben.

  4. Zufällig etwas Interessantes lesen
    Gerd Leonhard: „Früher blätterten wir eine Zeitung oder ein Magazin durch. Den (“Digital Natives“) ist der Facebook-Newsfeed wichtiger als jedes andere Medium. Sie lesen dort nur die News ihrer Freunde und „Likes“ – und deren Sponsoren.“

    KEEUNIT: Das, was Zeitungen oder Magazine in Print abdrucken (früher und heute)  und auch online transformieren, ist nichts anderes als das Setzen von Themenschwerpunkte der jeweiligen Redakteure. Bernard C. Cohen prägte dazu den Begriff „Agenda-Setting“, das Wikipedia wie folgt beschreibt: „…, die Medien hätten zwar keinen großen Einfluss auf das, was das Publikum zu einzelnen Themen denkt, aber einen erheblichen Einfluss darauf, worüber es sich überhaupt Gedanken macht.“ Dieser Einfluss wird nun geteilt mit News und Likes von Freunden. Aber dadurch geht uns nicht verloren, dass wir über etwas Interessantes stolpern.

  5. Schön schreiben können
    Gerd Leonhard: „Einen handgeschriebenen Brief zu erhalten galt früher als normal. Von Hand brauchen wir bald nichts mehr zu schreiben; der Computer hört uns zu und folgt unseren verbalen Anweisungen. Dazu kommen noch Gesten, mit denen wir unsere Geräte steuern. Wozu Schreiben lernen, wenn man es eh nicht braucht?“

    KEEUNIT: Verfechter der Handschrift behaupten, dass wer selbst nicht schreiben kann, sich schwer damit tun wird, historische Texte und Dokumente zu entziffern und damit den Zugang zu einem wesentlichen Teil unserer Geschichte verlieren wird. Zudem gibt es auch wissenschaftliche Anhaltspunkte darüber, dass wer handschriftlich schreibt anders denkt bzw. sich Dinge besser merken kann. Besonders in kreativen Berufen werden daher zuerst handschriftliche Entwürfe von Ideen verfasst, bevor der Entwurf dann wie beim Architekten in ein CAD-Programm übernommen wird. Es stimmt, dass wir die Handschrift nicht mehr in dem Maße einsetzen wie früher. Auch wenn diese im Geschäftsalltag fast ganz verschwunden ist, wird sie dennoch bleiben und ihren Platz im künstlerischen, kreativen Bereich behaupten oder als Post-it an meinem Kühlschrank.

    Hier geht es zum Artikel von Gerd Leonhard „Technologie vs. selbstbestimmtes Denken“.

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